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Auf dem Vormarsch? Eier, Wurst & Käse per Mausklick

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Der E-Commerce erfreut sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit. Bücher, CDs und Schuhe werden mittlerweile zunehmend online erworben und bis an die Haustür geliefert. Gilt das in Zukunft auch für Lebensmittel wie Milch, Butter und Toastbrot?

Frederik Reitsma von Bring24.com

Frederik Reitsma von bring24.com bei der Arbeit. Bild: bring24

„Ich habe jetzt eine Lieferung für einen Kunden nach Zollstock. Der hat alles Mögliche querbeet bestellt: Gemüse, Aufschnitt, Obst, Brotaufstriche, Getränke und ein paar Konserven“, sagt Frederik Reitsma, 24 Jahre alt, Betriebswirt und einer von zwei Gründern des Online-Supermarktes bring24.com. Das Start-up Unternehmen mit Zentrale und Lager am Kölner Großmarkt wurde im April 2011 gegründet und liefert im Kölner Stadtgebiet Ware aus, die sich ausschließlich über das Web bestellen lässt. Wenn die Nachfrage groß ist, springt der Chef auch mal selbst in den Transporter und fährt die Lebensmittel aus. Heute ist so ein Tag, ein ungemütlicher Novembertag. Es ist neun Uhr morgens und schwere dunkle Wolken bedecken den Himmel, es stürmt und regnet ohne Unterbrechung. Vorne im Fahrerhaus ist es trocken und warm, hinten im Laderaum dank Kühlaggregat auch für Wurst und Käse kalt genug. „Für Tiefkühlkost haben wir zusätzlich spezielle Kühlboxen. Mit denen fahren wir dann raus und übergeben die Ware direkt dem Kunden“, erläutert Reitsma die Kühlkette bei Ausfahrten.

Schwieriger Markt in Deutschland

Bring24.com ist einer von einer handvoll Online-Supermärkten, die in Köln Lebensmittel zustellen. In ganz Deutschland sind die meisten Anbieter lokal begrenzt aktiv. Es gibt aber auch einige, die in mehr als eine Stadt ausliefern. Dazu gehören reine Onlineshops wie allyouneed.com, lebensmittel.de oder mytime.de, aber auch Anbieter mit stationärem Hintergrund wie bringmeister.de (Kaisers/Tengelmann) oder Branchenführer rewe-online.de. Doch der Markt in Deutschland ist schwierig, und immer wieder müssen Online-Supermärkte Insolvenz anmelden. In Großbritannien, den USA oder der Schweiz ist der E-Food-Commerce hingegen schon längst etabliert. Laut Jochen Kirsch, Branchenanalyst des größten deutschsprachigen Blogs für E-Commerce Exciting Commerce, liegt das daran, dass man dort mit Lebensmitteln mehr Geld verdienen kann: „Der größte Unterschied ist, dass der Preisdruck in Deutschland extrem hoch ist. Es sind einfach sehr niedrige Margen, sodass sich Versandhandel kaum rentiert.“ In anderen Ländern wird oft mehr Geld für Lebensmittel ausgegeben. Mit den niedrigen Discounter-Preisen kann der Online-Handel hierzulande nicht konkurrieren. Versandgebühren oder Lieferkosten schrecken die preisbewussten Deutschen darüber hinaus ab. Hinzu kommt eine extrem hohe Marktdichte, die vielen Kunden die Notwendigkeit eines Online-Einkaufs nicht aufzeigt.

Vorteil durch Service

Frederik Reitsma, Geschäftsführer von bring24.com, ist bei seiner Ausfahrt in Köln-Zollstock angekommen. Eine normale Wohngegend, der Kunde wohnt im vierten Stock eines 8-Parteien-Hauses ohne Aufzug. „Die Leute, die Käsepackungen im Supermarkt vergleichen, um das günstigere Angebot abzugreifen, erreichen wir nicht“, erklärt Reitsma. Man wolle die Kunden gewinnen, die bereit seien, für einen besonders guten Service ein bisschen mehr auszugeben. Reitsma hievt die schweren Getränkekästen aus dem Transporter und schleppt diese durch einen heftigen Regenschauer in den Hausflur, dann geht es das schmale Treppenhaus hinauf bis in das vierte Stockwerk. Die Tür zur Wohnung steht bereits offen, und er wird von einer älteren Stammkundin freundlich empfangen: „Ich habe schon auf Sie gewartet, was ist das heute bloß wieder für ein Sauwetter!“ Reitsma räumt die Lebensmittel in den Kühlschrank und die Vorratskammer der alten Dame, sammelt die Pfandflaschen ein und entsorgt diese später, das ist für die Kundin sehr bequem. „Bei Schnee oder regnerischem Wetter haben viele einfach keine Lust, das Haus zu verlassen und einkaufen zu gehen“, beschreibt Reitsma einen der Vorteile, sich Lebensmittel in die Wohnung liefern zu lassen. „Was wir unseren Kunden außerdem schenken ist Zeit“, ergänzt er. Zeit, die gestressten Berufstätigen oder auch Familien im Alltag immer häufiger fehlt.

Rewe-Online.de (c)

Waren werden zur Auslieferung in den Transporter eingeladen. Bild: rewe-online

Von der Nische zum Massenmarkt?

Die meisten Online-Supermärkte setzen auf die Großstädte Berlin, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, München oder Köln, da dort die meisten Menschen erreicht werden. In diesen Städten können Kunden Äpfel, Bananen, Gouda, Salami und vieles mehr schon über das Internet bestellen. Aber die Branche steht noch ganz am Anfang. „Seit Start des Konzeptes, im März 2011, haben wir jede Woche steigende Bestellungen und Kundenzahlen. Das zeigt uns, dass der Markt in Deutschland reif ist und der Kunde dieses Angebot auch fordert“, meint Dirk Engelbertz, E-Commerce Manager Marketing & Kommunikation der Rewe Markt GmbH.
Von einem Massenmarkt kann aber noch lange keine Rede sein. Gerade einmal 460 Millionen Euro wurden 2012 in Deutschland mit Lebensmitteln im Online-Versandhandel umgesetzt. Das entspricht knapp 1,65 Prozent des Branchenumsatzes, heißt es beim Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH). Doch die Branche rechnet mit weiterem Wachstum. Handelsexperten und Analysten prognostizieren einen Marktanteil von 5 bis 6 Prozent in den nächsten fünf Jahren. „Es wird ein kontinuierliches Wachstum geben, aber es ist nicht so, dass wir einen Boom erwarten“, bestätigt Christin Schmidt, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim BVH. Man müsse zuerst das Vertrauen der Kunden für diesen alternativen Einkaufsweg gewinnen. Dabei setzen die Online-Lebensmittelhändler auch auf einen anstehenden Generationswechsel und die zunehmende Technologisierung innerhalb der Gesellschaft. „Gerade die jüngeren Generationen, die Digital Natives, die jetzt geschäftsfähig werden, haben völlig andere Konsumgewohnheiten und bestellen Bücher, CDs und Schuhe ganz selbstverständlich online“, so Schmidt. Warum in Zukunft nicht auch Paprika und Duschgel?
Die Relevanz des Lebensmittelversandes hat nach Supermarktketten und speziellen Online-Anbietern auch die Deutsche Post erkannt. Bis 2016 soll die Pakettochter DHL diesen Dienst deutschlandweit anbieten. Auch Amazon, der größte Internethändler der Welt, testet mit „AmazonFresh“ derzeit in Los Angeles und Seattle Konzepte für den Versand von Frischeprodukten. Für das Jahr 2014 ist der Ausbau in 20 weiteren Ballungszentren geplant. Rewe-E-Commerce-Manager Dirk Engelbertz glaubt allerdings nicht, dass Online-Supermärkte den stationären Handel in Zukunft ablösen können: „Das ist eher ergänzend und beides hat seine Daseinsberechtigung.“ Aufgrund der veränderten Mediennutzungsgewohnheiten sei es nur ein zwangsläufiger Schritt gewesen, dass man Lebensmittel auch elektronisch kaufen könne. Auch Christin Schmidt vom BVH sieht im E-Food-Commerce eher eine Alternativmöglichkeit zum herkömmlichen Shopping: „Die Leute wollen ja ein Kauferlebnis haben, die wollen Obst und Gemüse selbst anfassen und auswählen, Gerüche aufnehmen und sich inspirieren lassen“, dies sei im Lebensmittel-E-Commerce nur bedingt möglich.

Logistik-Probleme

Unpünktliche Lieferungen, vergammeltes Obst und Gemüse, aufgetaute Tiefkühlprodukte, Kunden beschweren sich immer wieder über nicht eingehaltene Lieferungszeitfenster oder die mangelhafte Qualität der gelieferten Lebensmittel. Das Image der Branche leidet. Um sich langfristig auf dem schwierigen Lebensmittelmarkt durchzusetzen, muss das Angebot der Online-Supermärkte auf demselben Niveau sein wie das der Konkurrenz aus dem Supermarkt um die Ecke. Doch wie kann garantiert werden, dass die Ware zeitnah zugestellt wird und frisch ist? Die interne und externe Logistik stellt die Online-Händler vor große Herausforderungen. Die Liefer- und Kühlketten müssen optimiert werden. Nicht jeder Anbieter erweckt den Eindruck, diesen Anforderungen auch gewachsen zu sein. Diejenigen, die aus den eigenen lokalen Lagern oder Märkten liefern, wie bringmeister.de oder rewe-online.de, scheinen hier im Vorteil zu sein. Dabei leisten sie streng genommen keinen klassischen Versand mehr, sondern bieten eine Art Kurier-Dienstleistung mit eigenen Zustellern an. „Wir liefern direkt aus unseren Märkten, weil diese jeden Morgen mit frischen Lebensmitteln beliefert werden“, beschreibt Rewe-Fachmann Engelbertz. Dabei werde versucht, die Prozesse in der Logistik des Lieferservices ständig zu verbessern: „Wir haben in den Märkten ein EDV-gestütztes Picking, vorgeschriebene Routen und die neuste Generation von 3-Kammer-Kühlfahrzeugen, um je nach Lebensmittel oder Ware die optimale Kühlkette zu gewährleisten.“ Picking meint in diesem Kontext das Zusammenstellen von bestimmten Artikeln aus einem Lagersortiment.

Frederik Reitsma von Bring24.com

Frederik Reitsma im Lager von bring24. Bild: bring24

Zukunftspotential im ländlichen Raum

Ein Zukunftsmarkt, der von Online-Supermärkten bis dato aus logistischen Gründen noch kaum berücksichtigt wird, ist der ländliche Raum. Hier besteht ein höherer Anteil an älteren und auch pflegebedürftigen Personen als in den Metropolen. Für diese Zielgruppe kann es in Zukunft sehr interessant werden, unkompliziert an Lebensmittel für den täglichen Bedarf zu kommen, ohne Familienangehörige oder Pflegepersonal beauftragen zu müssen. Zurzeit sind Schnellzustellungen allerdings nur in Metropolregionen möglich, doch das soll sich in Zukunft laut Christin Schmidt vom BVH ändern: „Sowohl Hermes als auch die DHL entwickeln aktuell Konzepte, um eine zeitnahe Zustellung im ländlichen Raum zu ermöglichen.“ Für den Erfolg des ganzen Konzeptes könne dies, nach Schmidts Einschätzung, in Zukunft sehr wichtig werden.

Online bestellt und direkt ausgeliefert

Für Frederik Reitsma vom Kölner Online-Supermarkt bring24.com ist der ländliche Raum allerdings eher unattraktiv: „Das ist für uns unwirtschaftlich, weil da einfach zu wenig Menschen bestellen.“ Er hat seine Ausfahrt nach vier Stunden und einem Dutzend Kunden beendet und ist zurück am Kölner Großmarkt. Es regnet nicht mehr ganz so stark wie am frühen Morgen. Zeit für eine Mittagspause bleibt ihm heute nicht. Die nächsten Lieferungen stehen schon an, und er ist bereits dabei, die neuen Bestellungen in den Transporter zu räumen: Müsli-Riegel, Joghurt, Nudeln und Reis. Alles online bestellt und heute vom Chef persönlich ausgeliefert.

Christian Voß

Websites von Online-Supermärkten – Bildergalerie:


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